Die Themen Kultur, Trans- und Interkulturalität haben sich in den letzten Jahren vom akademischen Expertendiskurs immer weiter in öffentliche Diskussionen verlagert. Nicht zuletzt die politische Forderung, in allen Bereichen der Gesellschaft Prozesse der interkulturellen Öffnung voranzutreiben, führen zu einem steigenden Bedarf an entsprechenden Qualifizierungsangeboten. Bildungseinrichtungen stellen sich bereits seit Jahren dem hohen Anteil an Zuwanderern in Schulen und Erwachsenenbildungsangeboten, um ihrem öffentlichen Auftrag und den spezifischen Bedürfnissen von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen entsprechen zu können. Auch im Arbeitsfeld von Behörden und Verwaltungen sind Migrantinnen und Migranten signifikant unterrepräsentiert und bilden aufgrund ihrer geringen Zahl nicht die gesellschaftliche Realität ab.(1) Die Verfasser des Nationalen Integrationsplans stellten 2007 heraus, dass Integration nur dann gelingen könne, wenn sich die staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen den Zugewanderten öffnen und der Zuwanderungsrealität Rechnung tragen.(2)Insbesondere die Einrichtungen der Gesundheit und Pflege sind aktuell damit befasst, den Bedürfnissen pflegebedürftiger Zuwanderinnen und Zuwanderer gerecht zu werden. So ist die Gesundheitsversorgung nur in Ausnahmefällen auf die ethnomedizinischen Besonderheiten und die kulturellen Bedürfnisse von Patienten und Patientinnen abgestimmt. Eine Herausforderung, ist doch kultursensibles Arbeiten ein wichtiger Schlüssel für angemessenes fachliches Handeln und für die menschenwürdige Betreuung von Personen unterschiedlichster Kulturkreise.
Die Herausforderungen interkultureller Trainings und Schulungen fundierte und nachhaltig aufgestellte Lehrgänge zur Stärkung interkultureller Kompetenz in den geschilderten Arbeitsfeldern sind leider nicht selbstverständlich. Ansätze, die von der Annahme ausgehen, dass eine Offenlegung und Betonung kultureller Unterschiede Einsichten in das alltägliche Handeln von Ausländern, Migranten oder Personen mit Migrationshintergrund herleiten und wirksame Hilfen für den Umgang mit der immer dichter werdenden kulturellen Vielfalt ableiten lassen, sind wenig sinnvoll. Auch so genannte Kulturknigge mit Verhaltensrezepten werden der Komplexität und Dynamik des Themas nicht gerecht. Sie befähigen nicht dazu, mit anderskulturellen Menschen kompetent und differenziert umzugehen. Lernmaßnahmen scheitern zudem häufig an den gegensätzlichen Positionen wissenschaftlicher Experten und der an schnellen Lösungen interessierten Praktiker. So laufen Weiterbildungsprogramme oft Gefahr, grob gerasterte „Regeln“ zu vermitteln und eher kontraproduktiv zusätzliche Trennlinien in der Gesellschaft zu zeichnen. Hier ein theoretisch fundiertes, didaktisch ausgereiftes und praxistaugliches Lehrgangssystem zu entwickeln, war 2002 die Absicht einer Kooperation des Bayerischen Volkshochschulverbandes mit dem Institut für Interkulturelle Kommunikation der Ludwig-Maximilians-Universität München. 2004 resultierte hieraus das modular strukturierte Lehrgangssystem Culture Communication Skills®. Dieses Lehrgangssystem wird bis heute kontinuierlich weiterentwickelt und bundesweit in der Erwachsenenbildung eingesetzt.
Grundlegendes Ziel dieser Fortbildung ist es, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Wesen kritischer, interkultureller Situationen zu vermitteln, sie zu befähigen, eventuell entstehende Konflikte abzumildern oder gar zu lösen und Wege zu angemessenen Handlungsstrategien zu finden. Kultur wird dabei in ihrer weiten Bedeutung, als ein Orientierungssystem aus Denk- und Handlungsweisenweisen verstanden, das innerhalb der jeweiligen kulturellen Gruppe wie „selbstverständlich“ funktioniert und zumeist unreflektiert das alltäg¬liche Miteinander steuert.Das Lehrgangssystem versteht sich daher auch als eine fortschreitende und vorsichtige Beschäftigung mit dem schwierigen Thema der kulturellen Differenz - ohne Vereinfachungen und Rezepte.
Das Lehrgangssystem Culture Communication Skills®Den inhaltlichen Schwerpunkt bilden sieben Themenbereiche, die in Theorie und Praxis verschränkt erarbeitet werden: Ziel des Feldes „Eigene Kultur“ ist es, eine allgemeinkulturelle Sensibilisierung zu erlangen und kulturabhängiges Handeln als Tatsache frei von Bewertungen zu erkennen. Grundlegend ist hierfür die kulturelle Eigensensibilisierung – das Erkennen des „Stolpersteins“ der eigenen Kultur. Dies gelingt idealerweise durch den achtsamen Umgang mit „kultureller Fremdheit“. Menschliche Wahrnehmung und Stereotypenbildung werden im Themenfeld „kulturelle Filter“ behandelt. Die „Techniken des interkulturellen Umgangs“ fokussieren die Anwendung der oben genannten Themen. Ein kultursensibles Auge wird trainiert und befähigt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, auch zuvor unbestimmte interkulturelle Konfliktpotentiale zu bewältigen. Im Abschnitt „Kulturexploration“ werden auf der Grundlage von ethnographischen Methoden alltägliche Situationen beobachtet, Gespräche geführt und analysiert. Theoretische Zusammenhänge, etwa zwischen Kultur und Verhalten, oder Kultur und Kommunikation werden in den Themenbereichen „Kulturgrammatik“ und „Interkulturelle Kommunikation“ dargelegt. Durch die Verknüpfung entsteht „ein unserer Lebenswelt nahes und gleichzeitig wissenschaftlich fundiertes Lehrgangssystem, dass sich in der Erwachsenenbildung zu einem anerkannten Standard entwickelt hat. Dies ist dem reflexiven und ethnologisch orientierten Ansatz zu verdanken“, erklärt der Geschäftsführer des Hessischen Landesverbandes der Volkshochschulen und Mitherausgeber des Lehrwerkes Dr. Christoph Köck.
Die Struktur des SystemsDas Lehrgangssystem gliedert sich in drei aufeinander aufbauende Module: Basic, Professional und Master. Während das erste Modul grundlegende Themen des interkulturellen Lernens anhand konkreter Praxisfelder vermittelt, vertieft das Modul Professional alle oben genannten Themenbereiche zur Stärkung interkultureller Kompetenz. Das Modul Master befähigt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schließlich, ihr kulturelles Wissen professionell einzusetzen und auf unterschiedliche Handlungsfelder, wie beispielsweise Verwaltungshandeln, Gesundheit, Pflege, soziale Arbeit oder Erwachsenenbildung zu transferieren. Jedes der genannten Module schließt mit einer Prüfung und einem Europa weit anerkannten Xpert Zertifikat ab. Grundlage des Lehrgangsystems ist das 2004 erstmals veröffentlichte und 2011 vollständig überarbeitete Lehrwerk „Culture Communication Skills - Interkulturelle Kompetenz“, das von Prof. Dr. Juliana Roth und Dr. Christoph Köck herausgegeben wurde. Die Neuauflage gibt den aktuellen Stand der interkulturellen Debatte wieder und berücksichtigt auch transkulturelle Aspekte.
Die Trainerinnen und TrainerUnterrichtet wird das Lehrgangssystem nur von eigens in diesem System qualifizierten und akkreditierten Trainerinnen und Trainern, die im Anschluss an die drei Module die eigens für das Lehrgangssystem entwickelte Multiplikatorenfortbildung erfolgreich absolviert haben. Mittlerweile sind dies bundesweit über 350 Trainerinnen und Trainer, die in unterschiedlichen Handlungsfeldern aktiv sind. Die Trainerin Helga Barbara Gundlach aus Hannover erklärt: „Das Lehrgangssystem bietet mir als Trainerin eine theoretisch fundierte Grundlage mit zeitgleich praxisorientierten Methoden für unterschiedliche Zielgruppen - von KiTa über Altenheim, von Industrie bis zur Verwaltung.“Die Begleitung der Trainerinnen und Trainer, die Qualitätssicherung der Lehrgangsinhalte und Prüfungen und die Trainer/-innen-Akkreditierung werden durch bundesweit zuständige Masterprüfungszentrale im bayerischen Volkshochschulverband gewährleistet. Sie steht im Dialog mit Wissenschaftlern, Bildungseinrichtungen (insbesondere Volkshochschulen) sowie den aktiven zumeist freiberuflichen Trainerinnen und Trainern.
Den über 1000 Volkshochschulen in Deutschland ist dieses Lehrgangssystem seit 2004 bekannt und wird vielerorts eingesetzt. Immer mehr Kommunen, die häufig auch Träger der Volkshochschulen sind, schulen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Lehrgangssystem. Sie schätzen die Verbindung von aktueller Theorie und handlungsfeldbezogener Praxis, die Transparenz des standardisierten Curriculums, die Festschreibung der Inhalte und die Möglichkeit, den Lehrgangserfolg durch standardisierte Prüfungen nachzuweisen. So bietet die Volkshochschule der Stadt Aalen, eine mittelgroße Kreisstadt in Baden-Württemberg, das Lehrgangssystem beispielsweise im öffentlichen Programm sowie in so genannten Inhouse-Schulungen an und erreichte zuletzt in einem Semester mit 13 Seminaren ca. 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das Lehrgangssystem überzeugt auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Culture Communication Skills fordert von mir und befähigt mich, Eigenes und Fremdes als gleichwertige Teile im globalen Miteinander anzunehmen, wertzuschätzen und manchmal sogar zu verstehen“, erklärt die ehemalige Teilnehmerin und heutige Trainerin Susanne Hassen. Und auch die Berliner Trainerin Ulrike Wolf unterstreicht: „Regelmäßig haben etliche Teilnehmer/-innen Aha-Erlebnisse. Es gibt selten ein Programm, in dem Lernen mit dem Kopf und Lernen durch den Bauch so gut miteinander verzahnt werden.“
Anmerkungen:(1) Laut des 8. Berichts über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, hat der öffentliche Dienst in Fragen gesellschaftlicher Repräsentation bestimmter Bevölkerungsgruppen im Beschäftigungssystem in Deutschland immer auch in einer Vorreiter- oder Vorbildfunktion einzunehmen. Vgl.: 8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Juni 2010, S. 300(2)Nationaler Integrationsplan, 2007, S. 24
Das Lehrgangssystem Culture Communication Skills® zu einem Blended Learning Format weiter zu entwickeln ist ein Pilotprojekt des vhs-Verbands Baden-Württemberg im Auftrag des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport. Projektpartner sind der vhs-Verband Baden-Württemberg, der Bayerische Volkshochschulverband, die Volkshochschulen Aalen und Freiburg sowie das Institut für interkulturelle Kommunikation an der LMU München.
Ziel des Projekts waren die Entwicklung einer Lehrgangsdramaturgie für das Blended Learning-Format, die Erstellung von Inhalten des Lehrgangssystems Culture Communication Skills® für eine Lernplattform sowie die Durchführung eines Pilotkurses.Dieses Kursangebot kombiniert bewährte Präsenzphasen an zwei Unterrichtsorten mit tutoriell unterstütztem Online-Lernen, ergänzenden schriftlichen Materialien sowie den Kommunikationsmöglichkeiten des Internet (Foren, virtuelles Klassenzimmer, e-Mail, Download). Genau wie bei den konventionellen Kursen gibt es eine Dozentin, die als „Tele-Tutorin“ die Kurse leitet. Sie unterstützt den Lernprozess, stellt Übungen zur Verfügung und beantwortet auftretende Fragen. Die Lerngruppe tauscht sich außerhalb der Präsenztermine im Forum und im virtuellen Klassenzimmer aus. Nicht nur die Tutorin antwortet dort auf Fragen, sondern es bietet sich die Möglichkeit des Austausches mit anderen Kursteilnehmer/innen.
Der Kurs beinhaltet den Zugang zur Internet-Plattform, Online-Kursmaterial, Lehrbuch, sowie Präsenz- und Prüfungstermine und tutorielle Betreuung. Der Betreuungsumfang ist deutlich höher als bei regulären CCS-Kursen. Die Inhalte entsprechen genau denen eines regulären CCS-Kurses, d.h. Teilnehmende, die die Module Basic und Professional bereits besucht haben, können am Master-Modul im Blended-Learning-Format teilnehmen. Genauso können Teilnehmende der Blended-Learning-Kurse weitere Module im Präsenz-Format besuchen. Die Module Basic und Professional wurden zu einem Kurs zusammengefasst, der aus zwei Präsenz-Wochenenden mit jeweils 12 Unterrichtseinheiten (UE) und einer zweimonatigen online-Lernphase besteht. Das Modul Master wiederum besteht aus zwei Präsenz-Wochenenden mit jeweils 16 UE und einer 6-10 wöchigen online-Lernphase“.
Ansprechpartner: ► Dr. Jürgen Wasella, Leiter der Volkshochschule Aalen: wasella@vhs-aalen.de► Elisabetta Mola, Masterprüfungszentrale Culture Communication Skills®: elisabetta.mola@vhs-bayern.de
Ich unterrichte dieses Lehrgangssystem so gerne, weil in den Kursen regelmäßig etliche Teilnehmer/-Innen Aha-Erlebnisse haben. Es gibt selten ein Programm, in dem Lernen mit dem Kopf und Lernen durch den Bauch so gut miteinander verzahnt werden.